Gunther Glenk (Doktorand an der Technischen Universität München) zeigt zusammen mit Prof. Stefan Reichelstein (Universität Mainz, Stanford University) in einer aktuellen Studie, dass Wasserstoff CO2-frei und rentabel produziert werden kann.
Sehr geehrter Herr Glenk, Sie haben zusammen mit Herrn Reichelstein eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wie die Wasserstoffproduktion umweltfreundlich und rentabel wird. Was waren Ihre Beweggründe für diese Studie?
Mit dem Wechsel auf Erneuerbare Energien bleiben zwei Herausforderungen in der Energiewende bestehen. Erstens, die Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie unterliegt starken Schwankungen, was die Versorgungssicherheit gefährdet. Und zweitens, müssen CO2-Emissionen nicht nur im Stromsektor, sondern auch in anderen Industrien reduziert werden, vor allem im Transportsektor und der industriellen Produktion. Wasserstoff ist eine Technologie, die beide Herausforderungen lösen kann, wenn das Gas kostengünstig und emissionsfrei herstellt werden kann.
Ihre Studie zeigt, dass Power-to-Gas eben tatsächlich umweltfreundlich und rentabel sein kann. Können Sie erläutern, was es dafür braucht?
Unsere Studie zeigt ein generisches Modell zur Bewertung von Power-to-Gas Anlagen, die mit einer erneuerbaren Stromkapazität kombiniert werden, um emissionsfrei Wasserstoff herzustellen. Aus der Sicht eines Investors wiegt das Modell die anfänglichen Investitionsausgaben mit allen Einnahmen und weiteren Ausgaben über die Lebensdauer der Anlage. Der Modellansatz ermöglicht leicht interpretierbare Rechnungen.
In der aktuellen Marktsituation sind zwei Faktoren entscheidend für die Profitabilität: Zum einen, dass diese Kombi-Anlagen in Echtzeit auf die Schwankungen der Stromerzeugung und der Preise am Strommarkt reagieren. Zu jedem Zeitpunkt kann der Betreiber entscheiden: Verkaufe ich den Strom oder wandle ich ihn zu Wasserstoff um. Zum anderen müssen die beiden Produktionskapazitäten (Strom- und Power-to-Gas-Anlage) bei der Investition in einem optimalen Größenverhältnis zueinander installiert werden. Da die anfänglichen Investitionsausgaben einen Großteil der Gesamtkosten ausmachen, sollten beide Kapazitäten maximal ausgelastet werden.
Heißt das im Umkehrschluss, dass die Wasserstoffproduktion heute noch nicht rentabel ist?
Die Rechnungen unserer Studie zeigen, dass sich kombinierte Anlagen angewendet auf Windenergie in Deutschland bereits heute für eine mittel- bis kleinvolumige Produktion von Wasserstoff rechnen würden. Diese Volumen werden beispielsweise in der Metall- oder Chemieindustrie verwendet. Wenn die Kosten für Windkraft- und Power-to-Gas-Anlagen in den nächsten Jahren ähnlich stark fallen werden wie in den vergangenen, deuten die Rechnungen außerdem darauf hin, dass die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff auch in großvolumigem Maßstab rentabel wird, zum Beispiel für Raffinerien oder Ammoniakproduktion.
Wie beurteilen Sie die Rolle der Sektorenkopplung für den Weg hin zu einem Mehr an Erneuerbaren Energien?
Die Integration von Energiesektoren wird eine zentrale Rolle in der Energiewende einnehmen müssen. Mit dem Wechsel von fossilen Brennstoffen auf Erneuerbare Energien geht ein Wechsel der Primärenergiequelle einher: von einem chemischen Energieträger auf Strom. Infolgedessen müssen Energieprozesse elektrifiziert oder falls ungeeignet auf einen CO2-freien Energieträger, wie beispielsweise Wasserstoff, umgestellt werden.
In Ihrer Studie geht es viel um Deutschland als Industriestandort, wie beurteilen Sie die Wasserstoffproduktion mit Blick auf den Verkehr und auf die Energieunternehmen?
Elektrolyseinrichtung der Sunfire GmbH. Quelle: renedeutscher.de.
Unsere Studie untersucht die Ökonomik der Produktion von Wasserstoff aus Erneuerbarem Strom. Der produzierte Wasserstoff kann für jegliche Prozesse verwendet werden, sei es in der Industrie, im Verkehr oder zur Stromerzeugung in Energieunternehmen. Eine Anwendung bestimmt lediglich die zu erzielenden Produktionskosten für Wasserstoff, die ich oben skizziert habe.
Sehen Sie die Wasserstoffproduktion eher als Baustein für das zentrale Energiesystem oder gibt es auch Möglichkeiten für dezentrale Märkte?
Der Wettbewerb wird entscheiden welches Produktionsmodell für welchen Zweck am besten ist: Eine dezentrale Produktion beispielsweise aus Solarstrom vor Ort bei einem Wasserstoffkunden oder eine zentrale Produktion aus großen Windparks auf See. Wichtig ist, dass einheitliche Marktbedingungen herrschen, sodass der Wettbewerb auch gewährleistet ist.
Können wir 100 Prozent schaffen?
Viele Studien haben gezeigt, dass 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung technisch möglich ist. Die entscheidende Frage ist also, ob das ökonomisch sinnvoll ist. Unsere Studie zeigt, dass erneuerbarer Wasserstoff bereits heute und erst recht innerhalb der nächsten Jahre eine finanziell attraktive Möglichkeit einer CO2 freien Energieversorgung sein kann, insbesondere dort, wo direkte Elektrifizierung ungeeignet ist im Sinne von technisch schwierig oder zu teuer. Warum also nicht? Die Energiewende ist nicht nur eine Reduktion von CO2 Emissionen, sondern auch eine Innovationsoffensive. Die beste Technologie wird gewinnen.