Bericht zur dritten Sitzung des Fachbeirats „Forum Synergiewende“ vom 27.03.2019.
Die Notwendigkeit von synthetischen Brennstoffen für ambitionierten Klimaschutz ergibt sich nach Meinung vieler Expertinnen und Experten insbesondere für den Einsatz in Luft- und Schifffahrt, der Industrie sowie als Langzeitspeicher. Unterschiedliche Ansichten existieren allerdings zu der Frage, wie umfangreich sie auch im Gebäudebereich zum Einsatz kommen sollten.
Der Wärmesektor stellt generell eine große Herausforderung der deutschen Energie- und Klimapolitik dar, und insbesondere die energetische Gebäudesanierung ist bislang ein schwieriges Unterfangen. Trotz aller Bemühungen seitens Bund und Ländern stagniert die Sanierungsrate seit längerer Zeit bei unter einem Prozent. Für das Erreichen der Klimaziele wären mindestens zwei Prozent notwendig. Es ist daher wenig überraschend, dass der Ruf nach Alternativen wie synthetischen Brennstoffen als klimafreundlicher Ersatz für Erdgas und Öl verstärkt diskutiert wird. Gebäude und Heizsysteme könnten dann weitestgehend unverändert bleiben, der fossile Energieträger würde durch einen synthetischen Brennstoff sukzessive subsituiert (bis zur Klimaneutralität). Dafür würde es allerdings enorm großer Mengen synthetischer Brennstoffe bedürfen, die Studien zufolge eher knapp und teuer sein werden. Es ergibt sich daher die Frage, ob diese eine wirkliche Alternative oder eher eine ergänzende Option zur Energiewende im Gebäudesektor sein können.
Der Fachbeirat diskutierte aus diesem Anlass die Rolle synthetischer Brennstoffe zum Erreichen der Klimaschutzziele im Gebäudesektor.
Grundsätzlich sollten Effizienzbemühungen und synthetische Brennstoffe nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern überhaupt erst einmal neue Impulse für die Wärmewende gesetzt werden. Hier hat die Politik in den letzten Jahren nur wenig Instrumente entwickelt. So ist beispielsweise die seit 10 Jahren diskutierte steuerliche Förderung immer noch nicht umgesetzt worden, und auch im aktuellen Haushaltsentwurf der Großen Koalition wurde sie erneut nicht berücksichtigt. Effizienzanstrengungen müssen auf breiter Front deutlich verbessert werden, um den Wärmeenergiebedarf zu senken. Dafür müsse auch die Akzeptanz energetischer Sanierungen in der Bevölkerung wachsen. Durch verstärkte Kommunikation und eine sozialverträglichere Ausgestaltung im mehrgeschossigen Wohnungsbau könnte dies gelingen. Vielversprechend erscheint vielen auch der Ansatz des „Seriellen Sanierens“ nach dem Vorbild „Energiesprong“ aus den Niederlanden, um die Kosten zu drücken.
Der verbleibende Bedarf an Wärmeenergie kann dann durch vielfältige Technologien treibhausgasneutral gedeckt werden. Auch künftig wird es nach Auffassung des Fachbeirates nicht die EINE Technologie, sondern einen Mix aus verschiedenen Systemen und Technologien geben. Dabei spielen neben den objektnahen Heizungssystemen (Wärmepumpe, Gas-Brennwertkessel mit synthetischem Brennstoff) auch dekarbonisierte Nah- und Fernwärmenetze künftig eine zentrale Rolle.
Der Fachkräftemangel im Handwerk bleibt eine generelle Herausforderung, auch hinsichtlich der Weiterbildung. Bislang sind etablierte Heiztechniken wie Brennwertgeräte für Handwerker oft die lukrativere und schneller zu installierende Option. Darum wird die perspektivische Nutzung synthetischer Brennstoffe in den etablierten Heizungssystemen angesichts des Fachkräftemangels und Qualifizierungsdefizits im Handwerk begünstigt und die Realisierbarkeit von Effizienz (Dämmung) und Elektrifizierung mit Wärmepumpen erschwert. Hinzu kommt, dass die Investitionen für Vollsanierungen der Gebäudehülle aktuell teurer als die Energiekosten auf Basis (zu billiger) fossiler Brennstoffe über viele Jahre sind. Damit sind vielen VerbraucherInnen die Amortisationszeiten von umfänglichen Effizienzmaßnahmen zu lang.
Synthetische Brennstoffe werden aber aufgrund von Nutzungskonkurrenzen in anderen Sektoren (Luft- und Schifffahrt, Industrie) sowie als notwendiger Langzeitspeicher für den Stromsektor nicht in sehr großem Maße für den Gebäudewärmebereich zur Verfügung stehen. Zudem wird in jedem Fall der Import großer Mengen synthetischer Brennstoffe notwendig, zu bislang nicht genau abschätzbaren Kosten. Biogene Gase werden ebenfalls einen Beitrag von bis zu 30 Prozent zum Gesamtbedarf klimaneutraler Gase leisten können, der Großteil muss aber durch synthetische Verfahren gedeckt werden.
Der Fachbeirat sah umfangreichen Handlungsbedarf auf Seiten der Politik, um den Gebäudesektor auf Zielkurs zum Erreichen der Klimaziele 2030 und 2050 zu bringen.
So bedarf es vor allem verlässlicher Rahmenbedingungen und Planungssicherheit, die durch einen Fahrplan und Maßnahmen sichergestellt werden, die über Legislaturperioden hinaus Gültigkeit haben und sich klar an den klimapolitischen Zielvorgaben orientieren. Heutige energetische Maßnahmen im Neubau müssen beispielsweise aufgrund langer Investitionszyklen bereits kompatibel mit dem Pariser Klimaziel 2050 sein. Ansonsten drohen unwirtschaftliche Nachsanierungen von bereits modernisierten Gebäuden.
Damit Power-to-X-Technologien wirtschaftlich werden können, bedarf es einer Änderung bei den Abgaben und Umlagen. Bisher gelten Power-to-X-Lösungen energierechtlich als Letztverbraucher und müssen daher alle Abgaben zahlen.
Eine CO2-Bepreisung wurde vom Fachbeirat als „No-Regret“-Maßnahme gesehen, um die Wärmewende technologieneutral voranzubringen. Eine alleinige Bepreisung von CO2 reiche aber noch nicht aus. Sie muss mit einem Maßnahmenpaket (insb. für mehr Effizienz) kombiniert und gleichzeitig sozialverträglich ausgestaltet werden, um die zwingend erforderliche Akzeptanz zu erreichen. Die Einführung eines CO2-Preises sollte für mehr Planungssicherheit gestaffelt erfolgen, bspw. mit festen Erhöhungen der Bepreisung alle fünf Jahre.
Auch die bereits vielfach diskutierte und wiederholt gescheiterte steuerliche Förderung energetischer Sanierungen sollte endlich umgesetzt werden. Sie gilt als attraktiv, weil der finanzielle Anreiz gegenüber der Antragsstellung bei den KfW-Förderprogrammen vereinfacht wird. Es wurde aber angemerkt, dass das Instrument der steuerlichen Förderung nur eine gewisse, finanzkräftige Klientel adressiert. Im Mietwohnungsbereich könnte das Instrument beim Eigentümer / Vermieter der Immobilie ansetzen.
Als weitere, wichtige Begleitmaßnahmen wurde zum einen die Neuverteilung der Kosten energetischer Sanierungen im Mietwohnungsbereich auf Staat, Mieter und Eigentümer bei gleichzeitigem Fokus auf die Warmmiete (statt wie bisher die Kaltmiete) genannt. Zum anderen der Ausbau und die gezieltere Information sowie Beratung, da sich die meisten HauseigentümerInnen kaum proaktiv mit einem Kesseltausch oder einer Sanierung befassen und somit auch nicht vorausschauend planen. Hier könnte die flächendeckende Erstellung von individuellen Sanierungsfahrplänen Abhilfe schaffen.