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Bericht zur vierten Sitzung des Fachbeirats „Forum Synergiewende“ am 04.09.2019.

Mit steigender Dezentralität und höheren Anteilen Erneuerbarer Energien sowie zunehmender Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr kommt der Digitalisierung eine zentrale Bedeutung zu: Sie fungiert als „Enabler“ für die Energiewende. Durch intelligente Vernetzung von Erzeugung und Verbrauch können fluktuierende Erneuerbare Energien besser genutzt und Abregelungen (z.B. von Windenergie) verhindert werden. Investitionen in Erzeugung und Speicherung von Energie können sinnvoll gelenkt werden. Vor diesem Hintergrund diskutierte der Fachbeirat die Rolle der Digitalisierung für die Sektorenkopplung und, wie die Potentiale künftig gehoben werden können. Im Fokus standen der Strom- und Wärmesektor.

Potentiale der Digitalisierung für die Energiewende

Ein zentraler Anwendungsfall von Digitalisierung ist das Engpassmanagement bei Erneuerbaren Energien-Erzeugern. Die Netzbetreiber*innen könnten mit Hilfe der Digitalisierung eine bessere Synchronisation zwischen lokal erzeugten Erneuerbaren Energien mit den Verbraucher*innen vor Ort schaffen. So könnten mehr Erneuerbare Energien ins Netz eingespeist und die Anzahl der Netzengpass bedingten Einspeisereduzierungen vermindert werden.

Auch die bessere Ausnutzung der begrenzten Verteilnetzinfrastruktur gelingt nur mittels Digitalisierung. Künftig benötigen nahezu alle Sektorenkopplungsprozesse das Stromverteilnetz. Die Einspeisung aus Erneuerbaren Energien-Anlagen und die Kopplung mit Wärme und/oder Mobilität findet im Verteilnetz statt. Auch Batteriespeicher werden je nach Größe fast ausschließlich im Verteilnetz angeschlossen. Doch die Netzinfrastruktur ist ein begrenztes Gut, weshalb sie clever genutzt werden muss. Mittels intelligenter Steuerung kann die Netzinfrastruktur besser ausgelastet werden, ohne diese zu überlasten. So ließe sich der Ausbaubedarf des Verteilnetzes begrenzen.

Im Gebäudebereich stellen „Smart-Building“-Anwendungen das Bindeglied der intelligenten Vernetzung dar, mit der Gebäude innerhalb der Energiewende in ein intelligentes (Verteil-)Netz eingebunden werden. In Zukunft kann so EE-Strom aus dem Netz oder eigens erzeugter PV-Strom vom Dach effizient und zielgerichtet für Wärmepumpen oder zum Laden von Elektroautos genutzt werden. Intelligent gesteuerte Gebäude bieten zudem Flexibilisierungsoptionen für das Verteilnetz, können zur Spitzenlastreduktion beitragen und so verfügbare Netzressourcen besser nutzen.

Gebäudedaten könnten auch dafür genutzt werden, sogenannte „Heatmaps“ zu erstellen. Diese erlauben die Visualisierung gebäudebezogener Daten (wie z.B. Energieverbrauch) für eine ganze Stadt auf einer Plattform. So könnten Sanierungsstrategien zielgerichteter erarbeitet werden oder große Energieverbraucher*innen mit Gebäuden, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen, miteinander verbunden werden. Eine transparente Entscheidungshilfe für Entwickler*innen von Blockchain-Projekten, Stadtplanung und Quartiersplanung würde entstehen.

Darüber hinaus könnte die Digitalisierung auch für eine Befreiung der Daten (Open Data) genutzt werden, die als Treiber für Innovationen und neue Geschäftsmodelle insbesondere im Bereich Sharing, Prosuming und Energy Communities dienen kann. Eine Datenbefreiung würde den Kontext der Datensammlung für Verbraucher*innen sichtbar und erklärbar machen. Dabei sollte genau überlegt werden, welcher Datensatz aufbereitet und sichtbar werden soll und welcher im Sinne des Datenschutzes verborgen bleibt.

Viele Chancen, aber noch längst nicht Praxis

Die Digitalisierung der Energiewende kommt nur sehr langsam voran. Insbesondere die Umsetzung des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende (GDEW) und der Smart Meter Rollout stocken. Noch immer fehlt die Zertifizierung weiterer Smart Meter-Gateways. Nach wie vor ist bislang lediglich ein Gateway zertifiziert. Das Smart Meter Gateway mit integriertem Sicherheitsmodul bildet als Kommunikationseinheit die zentrale Komponente in einem intelligenten Messsystem. Sie empfängt Messdaten von Zählern, speichert diese und bereitet diese für Marktakteur*innen auf. Der gesetzlich vorgeschriebene Rollout kann aber erst beginnen, wenn drei Geräte unterschiedlicher Hersteller*innen vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BIS) freigegeben wurden. Es bleibt weiter offen, wann die gesetzlich geforderten weiteren zwei Zertifizierungen folgen.

Verbraucher*innen erschließt sich zudem der Mehrwert von Smart Metern bisher nicht. Diese verursachen zunächst Kosten, Energieeinsparungen ließen sich aber erst mit Folgeinvestitionen (intelligente Thermostate, Energiemanagementsystem für Heizung etc.) realisieren. Dabei könnte schon die Visualisierung der Energieverbräuche dabei helfen, die größten Energiefresser in den eigenen vier Wänden zu identifizieren und für Energieeinsparung und geändertes Nutzer*innenverhalten zu sensibilisieren. Im Sinne der Akzeptanz muss zum einen der gesamtgesellschaftliche Nutzen durch die mögliche Optimierung des gesamten Energiesystems stärker kommuniziert werden. Zum anderen ist die Transparenz der Daten Voraussetzung für die Schaffung von Nutzer*innenakzeptanz. Im Bereich Wärme entstehen beispielsweise enorm viele Daten, die aber nur einmal im Jahr wenig übersichtlich auf der Heizkostenabrechnung sichtbar werden. Hier bietet die Möglichkeit einer tagesgenauen Aufschlüsselung des Heizverbrauchs Mehrwert für Verbraucher*innen.

Mögliche Ansatzpunkte aus Sicht des Fachbeirates

Der Fachbeirat identifizierte einige mögliche Ansatzpunkte, um der Digitalisierung der Energiewende Vorschub zu leisten:

  • Das „Clean Energy Package“ der EU könnte als Impuls für Deutschland dienen, um Flexibilität mit einem Preis zu versehen. Knappheit hat derzeit keinen Preis und es gibt keine variablen Strompreise. Das „Clean Energy Package“ sieht aber ausdrücklich vor, dass das Engpassmanagement marktlich gestaltet werden soll. Außerdem soll nach Art. 21 und 22 jede*r Europäer*in mit seinen Nachbar*innen gemeinsam Strom produzieren und handeln dürfen. Die Bundesregierung könnte diese Grundsätze aufnehmen und die Änderungsmöglichkeiten z.B. zur Reparatur des Mietstromgesetzes und Entbürokratisierung nutzen.
  • Fehlanreize beim Strompreis korrigieren: Derzeit ist es aufgrund unterschiedlich hoher Preisbestandteile beim Strom lukrativer, die EEG-Umlage oder die Netzentgelte zu vermeiden, als die CO2-bezogene Preiskomponente. Die EEG-Umlage ist ungefähr 4,5-fach größer als der Marker für CO2 (über den ETS). Wenn die Anreize so gesetzt sind, dann wird Strom Erdöl und Erdgas nicht substituieren (fehlende Ausrichtung auf CO2). Die unterschiedliche Strukturierung der Preise ist ein eklatantes Hemmnis für einen Switch zwischen den Energieträgern. Darum braucht es neben einem CO2-Preis auch die Reduzierung der Strompreisbestandteile für ein „Level Playing Field“.
  • Smart Meter Rollout mit Zertifizierung, die neuen EU-Anforderungen an „Smartness“ gerecht wird. Begleitet von Kommunikation des individuellen und gesamtgesellschaftlichen Nutzens.
  • Technische Gebäudeausrüster müssen Kommunikation von verschiedenen Schnittstellen ermöglichen

Zusammensetzung des Fachbeirates

Eine Übersicht des Fachbeirates zum Projekt Forum Synergiewende finden Sie hier.

Input zur Sitzung

Präsentation von Bernhard Strohmeyer, Bundesverband Erneuerbare Energien:
„Smarte Sektorenkopplung, Digitalisierung und Distributed Ledger Technologien?“

Studie von Anne-Caroline Erbstößer, Technologiestiftung Berlin: Smart Buildings im Internet der Dinge

 

 

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