Bericht zur zweiten Sitzung des Fachbeirats „Forum Synergiewende“ am 13.11.2018. Immer mehr Akteure in der energiepolitischen Debatte fordern aktuell eine Bepreisung von Kohlendioxid (CO₂).
Um die Klimaschutzziele 2050 zu erreichen, müssen fossile Energieträger in allen Sektoren weitgehend ersetzt werden. Die Bepreisung des am meisten emittierten Treibhausgases soll die Lenkungswirkung entfalten, die die Industrie und alle CO₂-ausstoßenden Sektoren auf dem Wege der Dekarbonisierung bis 2050 dringend benötigen.
Obwohl der CO₂-bedingte Klimawandel enorm hohe Umwelt und Gesundheitsschäden und damit Kosten verursacht, wird der Ausstoß von CO₂ derzeit nicht mit angemessenen Abgaben belegt. Weil diese Kosten externalisiert sind, bleiben die Preise für Kraftstoffe und Heizstoffe nach wie vor sehr niedrig. Die Wirtschaftlichkeit von strombasierten Technologien, alternativen Antrieben, Effizienzmaßnahmen bei Gebäuden und erneuerbarer Wärme wird dadurch entgegen den wahren Preisen erheblich verschlechtert. Eine Sektorenkopplung, die für ein Gelingen der Wärme- und Verkehrswende essentiell ist, findet in der Breite nicht statt.
In allen Sektoren fehlt ein wirksames Preissignal für die gesellschaftlichen Kosten des CO₂-Ausstoßes. Im Stromsektor sorgt der Europäische Emissionshandel (EU ETS) nicht für ausreichend Anreize, auf CO₂-ärmere Alternativen umzustellen. Im Wärme- und Verkehrsbereich (Non-ETS) orientieren sich die Energiesteuern nicht am CO₂-Gehalt. Ein „Level Playing Field“ der Energieträger fehlt und klimaschädlichere Energieträger sind gegenüber klimafreundlicheren begünstigt. Hinzu kommt, dass die Abgaben und Umlagen in den verschiedenen Sektoren sehr uneinheitlich geregelt sind. So wird z.B. Strom – auch erneuerbarer Strom – im Vergleich zu Erdgas und Heizöl deutlich höher besteuert.
Während die grundlegende Idee einer CO₂-Bepreisung weitreichende Zustimmung erfährt, ist die genaue Ausgestaltung noch Gegenstand intensiver Diskussionen. Vor diesem Hintergrund wurde das Thema auch im Fachbeirat des „Forums Synergiewende“ aufgegriffen. Im Fokus der Sitzung stand die Frage, wie eine sektorenübergreifende CO₂-Bepreisung ausgestaltet sein müsste, um unter anderem auch die Sektorenkopplung voranzubringen.
Der Fachbeirat votierte unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen als auch politischen Machbarkeit mehrheitlich für die Integration einer CO₂-Komponenten in bestehende Energiesteuern. Der Gesetzgeber könnte die unterschiedlichen Steuerhöhen auf die Energieträger mit den verschiedenen CO₂-Gehalten der Energieträger begründen (Primärenergiesteuer).
(Foto: André Forner)
Eine alternative Ausweitung des Emissionshandels (ETS) auf die Sektoren Wärme und Verkehr wurde kritisch gesehen, da eine zeitnahe politische Machbarkeit innerhalb der EU sehr fraglich ist. Zudem existieren sehr unterschiedliche CO₂-Vermeidungskosten in den jeweiligen Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Fortschritte und Technologieentwicklungen sind aber in allen Bereichen notwendig. Sich zunächst auf die einfachen Emissionsvermeidungen zu konzentrieren, wäre zwar kurzfristig wirtschaftlich, würde in der Folge aber zu einem sehr hohen Handlungsdruck in den zunächst nicht adressierten Bereichen und damit zu enorm ansteigenden Zertifikatskosten führen, nachdem die einfacheren Emissionsreduktionen umgesetzt wurden. Eine reine Mengensteuerung über den ETS ist zudem problematisch, da die finalen Reduktionsmengen noch gar nicht langfristig klar sind. Allein in Deutschland besteht ein großes Gap zwischen 80 Prozent und 95 Prozent-Treibhausgasreduktion.
Die CO₂-Komponente in bestehende Energiesteuern könnte mit verschärften Erneuerbare-Energien-Quoten in Wärme und Verkehr (angelehnt an THG-Minderungsquoten bei Kraftstoffen) kombiniert werden. Als weitere sinnvolle Ergänzung wurde ein neues Vermarktungsinstrument für EE-Anlagenbetreiber außerhalb des EEG vorgeschlagen. Hierfür bedarf es eines Ausbaus von Grünstromzertifikaten und Herkunftsnachweisen, da Grünstrom derzeit nur in der Jahresbilanz, nicht aber in Echtzeit nachgewiesen werden kann.
Die Diskussion um die Höhe eines CO₂-Preises wird im Spannungsfeld „Lenkungswirkung“ vs. „Einstieg mit politischer Machbarkeit“ geführt. Während ein Aufschlag mit hoher Lenkungswirkung für den Klimaschutz eher im Bereich von 80 bis 100 Euro pro Tonne CO₂ liegt, wäre für den Einstieg in eine CO₂-Bepreisung wohl eher ein Preis von 30 Euro pro Tonne CO₂ politisch durchsetzbar. Dies wäre volkswirtschaftlich zwar nicht optimal, aber zumindest ein Einstieg in diesen als sinnvoll eingeschätzten Weg.
Ein eher niedriger Einstieg und anschließend sukzessiver Anstieg der CO₂-Bepreisung (nach dem Beispiel Frankreich) sei zudem eher im Sinne der Planbarkeit bzw. Anpassungsmöglichkeiten seitens VerbraucherInnen. Insbesondere der Gebäudesektor ist von langen Investitionszyklen geprägt, weshalb ein niedriger Preiseinstieg mit einem Anstieg über die Zeit eine langfristige Planung ermöglicht. So öffnen sich Handlungsoptionen für Investitionen in Effizienz und Umstieg auf Erneuerbare. Die Vorhersehbarkeit künftiger CO₂-Preisaufschläge bietet auch der Wirtschaft Entscheidungsgrundlagen für vorausschauende Investitionen in neue Technologien.
Zusätzlich zur CO₂-Komponente in den Energiesteuern braucht es Anreize für Energieeffizienz, um z.B. den Wärmebedarf in Gebäuden zu senken und die Stromnutzung effizient zu gestalten, damit der Mehrbedarf von EE-Strom begrenzt wird.
Bei Investitionen in Strom aus Erneuerbaren Energien im Gebäudesektor (z.B. PV aufs Dach) sollten auch Potentiale für Energieeffizienz mitgedacht werden. Dem Kopplungsprinzip folgend sollte jede Chance für energetische Modernisierungen genutzt werden, wenn das Gebäude sowieso saniert wird (Instandhaltung).
Ein Ausbau der Förderung z.B. des Förderprogramms Wärmenetze 4.0 wurde als sinnvoll erachtet, um die Energieversorgung nicht nur für einzelne Häuser, sondern ganze Quartiere klimafreundlich zu gestalten.
Der Fachbeirat war sich einig, dass eine CO₂-Bepreisung aufkommensneutral ausgestaltet werden und auch soziale Auswirkungen berücksichtigen müsse. Angelehnt an das „Schweizer Modell“ sollten die Steuereinnahmen einer CO₂-Bepreisung an alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber rückverteilt werden. Als geeignetster Rückverteilungskanal wurde das Finanzamt über die Steueridentifikationsnummer gesehen, da hier die meisten Menschen erreicht werden. Auch die Ausstellung eines jährlichen Klima-Schecks könnte insbesondere für die Sichtbarkeit der Rückverteilung ein interessanter Weg sein, sofern dieser rechtlich möglich ist. Ein Teil könnte für die Finanzierung eines Klimaschutzfonds dienen, der einen zusätzlichen Bonus ausschüttet, wenn das rückverteilte Geld von VerbraucherInnen direkt für den Klimaschutz investiert wird.
Anstatt einer direkten Rückverteilung könnte auch eine indirekte Rückverteilung z.B. durch die Absenkung der EEG-Umlage erfolgen. Bei Geringverdienern kompensieren die Einsparungen bei der EEG-Umlage und damit beim Strompreis die Mehrbelastungen bei Wärme und Verkehr. Die zusätzliche Entlastung des Strompreises könnte die Sektorenkopplung zusätzlich anreizen.
Konsens war, dass es in jedem Fall einer sozialen Abfederung von Härtefällen (z.B. Pendler, Krankenschwester in Altbauwohnung) bedarf. Zudem muss für eine Lenkungswirkung einer CO₂-Bepreisung im Mietwohnungssegment das Vermieter-Mieter-Dilemma aufgelöst bzw. umgangen werden. Ein möglicher Ansatzpunkt könnte eine Mietrechtsänderung sein, die es erlaubt den CO₂-Preisaufschlag als Kostenpunkt beim Vermieter zu verorten anstatt diesen über die Betriebskosten an die Mieter durchzureichen. Der Vermieter soll damit Anreize für Investition in energetische Modernisierung bekommen. Problematisch dabei: Auf das Nutzerverhalten (z.B. Heizen bei dauerhaft gekippten Fenstern) seiner Mieter kann der Vermieter nur bedingt einwirken und würde mehr für CO₂-Emissionen ausgeben, als gemessen am technischen Stand des Gebäudes nötig wäre. Hier müssen Lösungsansätze entwickelt werden.
Für die politisch und gesellschaftliche Akzeptanz einer CO₂-Bepreisung ist eine sozialverträgliche Ausgestaltung generell und insbesondere im Mietwohnsektor unabdingbar.