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Neue Rahmenbedingungen für ein erneuerbares Strommarktdesign

Von Ingrid Nestle, MdB.

Das vorgelegte Klimapaket der Bundesregierung lässt eine mutige Antwort auf die Klimakrise schmerzlich vermissen. Besonders beim dringend notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien brauchen wir deutlich mehr Geschwindigkeit statt neue Hürden bei den Abstandsregelungen für die Windenergie. Sauberer, grüner Strom ist der Motor einer erfolgreichen Energiewende in allen Sektoren. Denn der erneuerbare Strom für die Sektorenkopplung muss zusätzlich zu dem 65%-Ziel der Bunderegierung ausgebaut werden. Ansonsten wäre zu befürchten, dass unter dem Deckmantel der Sektorenkopplung nur weiter fossile Kraftwerke laufen und mit der neuen Gasstrategie der Bundesregierung lediglich grün angestrichen werden.

Die intelligente Verknüpfung der einzelnen Sektoren ist kein fernes Zukunftsszenario, sondern ein dringend notwendiger Schritt. Das bedeutet nicht nur den Ausbau der Netze und Erneuerbaren Energien mit absoluter Priorität voranzutreiben, sondern auch eine smarte und pragmatische Regulierung für den Strommarkt umzusetzen.

Zu den zentralen Problemen des heutigen Systems zählen: kein angemessener CO2-Preis, Netzengpässe werden vom Marktdesign nicht adressiert, fixe Strompreiselemente verhindern die Sektorenkopplung und ungezählte Ausnahmen und Privilegien führen zu Fehlanreizen auf der Verbrauchsseite.

Für einen besseren Strommarkt und einen kostengünstigen Ausbau erneuerbare Kapazitäten brauchen wir unverzerrte Marktsignale und ein gestärktes Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). Dieses orientiert sich schon heute am Markt: über die gleitende Marktprämie werden die Preissignale der Strombörse, wann Strom mehr oder weniger dringend gebraucht wird, an die Anlagenbetreiber durchgereicht.
Wenn überschüssiger Strom nicht direkt genutzt wird, kann Grüner Wasserstoff hergestellt werden. Sein Vorteil liegt ganz klar in der Speicherfähigkeit. Das macht Wasserstoff zum wichtigen Player der Energiewende. Um diesen Vorteil auszuspielen, muss die Wasserstoffproduktion „netzdienlich“ organisiert werden, soll sich also an der jeweils aktuellen Lage im Stromnetz mit Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen vor und hinter den Netzengpässen orientieren. Zugleich müssen Fehlanreize zurückgenommen werden, die Produzenten und Verbraucher daran hindern, auf die Preissignale der Strombörse zu reagieren.

Was bedeuten diese Überlegungen konkret?

  1. Einen angemessenen CO2-Preis setzen
    Durch einen vorhersehbar steigenden Mindestpreis von zunächst 40€ im Emissionshandel haben Unternehmen endlich Planungssicherheit für Investitionen in CO2-arme Technologien und der anstehenden Umstellung des kompletten Anlagenbestands. Später mag ein reiner Emissionshandel in der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie ausreichen, um den optimalen Einsatz dieser Technologien zu koordinieren.
  2. Nutzen statt Abschalten
    Das Stromnetz kann und soll nicht jede erzeugte grüne Kilowattstunde aufnehmen und transportieren. Auch der Strom vor dem Engpass ist für die Produktion von Wärme oder Wasserstoff ein wertvolles Gut und sollte den Spontan-Nutzern kostengünstig zur Verfügung gestellt werden, anstatt ihn gar nicht zu produzieren. Wenn der Betreiber dafür einen kleinen Unkostenbeitrag zahlt, können damit sogar die Stromkunden entlastet werden.
  3.  Reform der Abgaben und Umlagen
    Der Strom hinter den Netzengpässen wird allein für den Betrieb der Wasserstoffwirtschaft nicht ausreichen, da er lediglich 1% des gesamten deutschen Stromverbrauchs ausmacht. Ziel der Reform muss es sein, die Kosten für den Stromverbrauch zeitlich und lokal spezifisch abzusenken und somit die netzdienliche Nutzung von Strom im Markt lukrativ zu machen. Zudem kann eine Erweiterung des Netzentgeltsystems verhindern, dass Netzengpässe künstlich verstärkt werden. Eine Möglichkeit ist, dass flexible Lasten auf den gesicherten Bezug von Leistung verzichten können und als Anreiz ein entsprechend reduziertes oder auch kein Netzentgelt zahlen.

Es ist höchste Zeit für mehr als nur erste Schritte. Wir müssen jetzt die richtigen Rahmenbedingungen setzen – für klimafreundliche Technologien und somit auch für die Zukunft des Industriestandorts Deutschland. Und dazu gehört eine Reform des Strommarkts für eine erneuerbare Zukunft.

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