Die leitungsgebundene Wärmeversorgung mittels Fern- und Nahwärmenetzen ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Energieversorgungssystems. Künftig können Wärmenetze insbesondere in dichter besiedelten Gebieten und Ballungsräumen eine zunehmend wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Gebäudewärme spielen.Dort stößt der Einsatz objektnaher, dezentraler Heizsysteme oftmals an technische und wirtschaftliche Grenzen.
Während der Anteil des mittels (Fern-)Wärmenetzen gedeckten Wärmebedarfs heute bei ca. 10 Prozent in Deutschland liegt, könnte dieser verschiedenen Szenarien nach zu urteilen bis zum Jahr 2050 auf bis ca. 20-25 Prozent steigen. Zwar wird der Großteil des Wärmemarktes in allen Szenarien auch künftig von objektnahen, dezentralen Heizkesseln bestimmt, aber es ist gleichzeitig von einem deutlichen Zuwachs an Wärmenetzen auszugehen.
Um den Erfordernissen ambitionierter klima- und energiepolitischer Ziele gerecht werden zu können, muss jedoch eine grundlegende Transformation der bisher überwiegend auf fossilen Brennstoffen basierenden leitungsgebundenen Wärmeversorgung erfolgen.
Grundsätzlich sind Wärmenetze in der Lage, eine große Bandbreite unterschiedlicher Wärmequellen einzubinden. Neben den bisher meist in Wärmenetze einspeisenden thermischen Block- oder Großkraftwerken gehören dazu etwa Solarthermie, Tiefengeothermie und Wärmepumpen unterschiedlicher Größe bzw. Leistung. Abwärme aus Industrieprozessen lässt sich sogar nur durch die Infrastruktur leitungsgebundener Wärmeversorgung sinnvoll erschließen. Auch große Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen können sinnvoll und nachhaltig in Wärmenetze eingebunden werden, sofern diese langfristig mit erneuerbaren Energieträgern betrieben werden.
Nah- und Fernwärmenetze können es ermöglichen, die Umstellung auf klimafreundliche Energieträger im jeweiligen Versorgungsgebiet flexibler zu gestalten und lokal vorhandene Potenziale für Erneuerbare Energien besser nutzbar zu machen.
Für die zunehmende, effiziente Einbindung verschiedener Erneuerbaren Energien wie Solarthermie oder die Ab- und Umweltwärme mittels Groß-Wärmepumpen bedarf es künftig einer starken Temperaturabsenkung der Wärmenetze. Moderne, sogenannte „kalte“ Wärmenetze arbeiten nicht wie klassische Wärmenetze mit einer konstanten Vorlauftemperatur von 80 Grad Celsius, sondern können auch mit lediglich 30 Grad Betriebstemperatur gefahren werden. So können zudem Energieverluste über die Leitungen deutlich reduziert werden.
Durch den Einsatz von Wärmepumpen und –speichern sowie Power-to-Heat-Anlagen (PtH) gewinnen Wärmenetze auch als Flexibilisierungskomponenten für den zunehmend durch fluktuierende Erneuerbare Energien geprägten Stromsektor an Bedeutung.
Vor diesem Hintergrund diskutierte der Fachbeirat des „Forums Synergiewende“ die Chancen, Hemmnisse und Lösungen von Wärmenetzen im Kontext der Sektorenkopplung und identifizierte Handlungsoptionen, um die vorhandenen Potenziale für dekarbonisierte Wärmenetze zu heben.
Kommunale „kalte“ Nahwärmenetze, die mit niedrigen Betriebstemperaturen laufen können und damit die effektive Einbindung Erneuerbare Energien ermöglichen sind bereits heute technisch realisierbar und werden über das Förderprogramm „Wärmenetze 4.0“ des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert.
Dennoch existieren bis dato lediglich vereinzelte Leuchtturm-Projekte, in der Breite findet (noch) keine Dekarbonisierung der Wärmenetze – auch mit Hilfe der Kopplung von Strom und Wärmesektor – statt.
Die Fachbeiratsmitglieder identifizierten eine Vielzahl an Hemmnissen, die einen vermehrten Einsatz von EE-Strom in Wärmenetzen erheblich erschweren.
Der Strompreis ist mit Steuern, Abgaben und Umlagen stark belastet. Rund 78 Prozent des Strompreises (2018) entfallen auf diverse Abgaben (Netzentgelte, EEG-Umlage etc.). Die Entwicklung des Strompreises, welcher bei der Nutzung im Wärmesektor angelegt wird, im Verhältnis zu anderen Energieträgern ist darum von entscheidender Bedeutung für die Frage, ob und in welchem Maße sich (Groß-)Wärmepumpen, Elektroheizstäbe usw. gegenüber ihren fossilen Alternativen durchsetzen können und ob eine Umwandlung von Strom in andere Energieträger wirtschaftlich darstellbar ist. Aktuell ist (EE-)Strom für „Power-to-Heat“ (PtH)-Anwendungen zu teuer, selbst wenn dieser mangels Transportkapazitäten oder anderen Nutzungsoptionen abgeregelt wird.
Grundsätzlich wurde das EEG als zu komplex erachtet und bemängelt, dass dieses nicht den erforderlichen Spielraum für innovative Projekte offenlässt. Je nachdem, wie die Systeme für die Wärme-Strom-Versorgung konzipiert sind, muss die volle EEG-Umlage bezahlt werden. So werden beispielsweise KWK-Anlagen mit der vollen EEG-Umlage belastet, auch wenn der von ihnen produzierte Strom eine Wärmepumpe antreibt und es sich um ein technisch geschlossenes System handelt. Aber sobald Erzeuger und Abnehmer unterschiedlich sind, wird dies vom EEG vernachlässigt.
Hinsichtlich Energiespeicherung verhindert die doppelte Bezahlung der EEG-Umlage bei Ein- und Ausspeisung einen Business-Case. Zwar gab es eine Nachjustierung bei reinen Strom-Energiespeichern – also Ein- und Ausspeisung von Strom – jedoch gilt die doppelte Belastung immer noch bei der Einspeicherung von Strom mit anschließender Ausspeisung von Wärme.
Neben den im Energierecht vorgesehenen Abgaben, Umlagen und Steuern erschwert auch die Mehrwert-, Einkommens- und Gewerbesteuer eine Kopplung von Strom und Wärme sowie ggfs. leitungsgebundene Verteilung. Diese Steuerpflichten greifen beispielsweise bei einer Wärmeerzeugung im Haus und Abgabe nach außen, da sie dann als Gewerbe zählt.
Primärenergiefaktoren: Während sich der Einsatz von Wärmepumpen aufgrund der hohen energetischen Effizienz zumeist positiv auf den Primärenergiefaktor (PEF) von Wärmenetzen auswirkt, wird der Primärenergiefaktor durch die Nutzung von Elektrokesseln (Power-to-Heat) erhöht. Bei Fernwärmenetzen ohne KWK wird dem Stromverbrauch der PtH-Anlage ein PEF von 1,8 zugrunde gelegt. Der Strombezug aus dem öffentlichen Stromnetz wird dabei grundsätzlich wie Graustrom behandelt. Strommengen aus Erneuerbaren Energien, die durch das allgemeine Stromnetz durchgeleitet werden, müssen somit ebenfalls mit dem Faktor 1,8 (allgemeiner Strommix) bewertet werden. Bei Wärmeversorgungssystemen mit KWK-Anlagen wird der Stromeinsatz für eine PtH-Anlage von der ansetzbaren (eingespeisten) KWK-Strommenge abgezogen, die aktuell mit einem PEF von -2,8 (also einer Gutschrift) bewertet wird.
Auf kommunalpolitischer Ebene mangelt es flächendeckend an Wärmekatastern, die für Transparenz bei vorhandenen Ab- und Umgebungswärme-Potenzialen sorgen könnten. Diese Erfassung macht eine an die jeweiligen regionalen und lokalen Gegebenheiten angepasste Wärmeplanung überhaupt erst möglich. Folglich fehlt es dann oftmals an einer kommunalen Wärmeplanung, die für die Erarbeitung geeigneter Wärmeversorgungskonzepte und die Erschließung des Potenzials Erneuerbarer Energien auch mittels Wärmenetzen essentiell sind.
Planungskosten aufgrund der rechtlichen Komplexität: So erfordert beispielsweise die Berechnung des Primärenergiefaktors ein anspruchsvolles Tool bzw. gebe es sogar einige Systeme, in denen sich der Primärenergiefaktor noch gar nicht rechnen lasse (z.B. kommunales „kaltes“ Nahwärmenetz mit zwischengeschaltetem BHKW und Groß-WP sowie Eisspeicher). Der einfache Anschluss an die Fernwärme oder die Installation eines klassischen Heizkessels nach dem „Schema F“ sei für alle beteiligten Akteure einfacher und transparenter umsetzbar und werde aufgrund des geringeren Planungsaufwandes und den vollen Auftragsbüchern oft bevorzugt. Der Planungsaufwand werde bei Projekten mit Mehrfamilienhäusern oder in Quartieren nochmals größer, allerdings seien größer skalierte Projekte dann auch rentabler. Die Konzeptentwicklung kann zwar mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, aber alleine die nötigen Vorarbeiten vor dem festen Projektzuschlag sind komplex und teuer.
Anders als bei den Stromnetzen ist die Fernwärme zudem nicht von der Liberalisierung der Energiemärkte betroffen; Wärmenetzbetreiber haben so das Monopol, Kunden ausschließlich mit Wärme aus eigenen Anlagen zu beliefern. Das bedeutet, dass Wärmenetze nie ohne Erzeugungsanlage gedacht und ein anschließender Anschluss mehrerer kleiner Erzeuger von Erneuerbaren-Energien-Anlagen oft ausgeschlossen ist. Der Wärmnetzbetreiber verfügt damit auch über die Informationen (Wärmequellen, Wärmeabnahme usw.), die für eine intelligente Kopplung von Strom- und Wärmesektor nötig sind.
Um die beschriebenen Hemmnisse zu beseitigen und das Potenzial der Sektorenkopplung im Kontext von Wärmenetzen umfänglicher nutzen zu können, sehen die Fachbeiratsmitglieder folgende Handlungsoptionen: