Am 10. Juni 2020 wurde in der 100. Sitzung des Bundeskabinetts die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) verabschiedet. In dem beschlossenen Maßnahmenpaket sieht die HYPOS-Initiative eine einmalige Chance, die Ergebnisse aus den insgesamt 32 Forschungsprojekten ihrer Mitglieder umzusetzen und einen kommerziellen Markt für Wasserstofftechnologien in der mitteldeutschen Region und darüber hinaus zu ermöglichen.
Dem Beschluss zur Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) ging ein intensiver Diskussionsprozess der beteiligten Bundesministerien voraus. Das Ergebnis stellt wichtige Weichen für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Mit der NWS hat die Bundesregierung das Potenzial der Technologie für den Industriestandort Deutschland und den Klimaschutz anerkannt. Infolge der COVID-19 Pandemie ist mit einer weltweiten Rezession zu rechnen. Umso wichtiger ist es, Investitionen nun zielgerichtet für nachhaltige Technologien einzusetzen. Mit einer Summe von 9 Milliarden Euro möchte die Bundesregierung den Markthochlauf und den Aufbau internationaler Partnerschaften unterstützen. Mit zusätzlichen Finanzmitteln aus dem 7. Energieforschungsprogramm für die Reallabore der Energiewende sowie aus dem Energie- und Klimafonds und dem Nationalen Dekarbonisierungsprogramm hat die Bundesregierung damit ein umfassendes Paket zur finanziellen Unterstützung von Forschung und Industrie für die nächsten Jahre geschnürt.
Der HYPOS e.V. als größtes Netzwerk zur Wasserstoffwirtschaft unterstützt die Umsetzung der NWS. Bereits seit 2013 verfolgt HYPOS mit mehr als 110 Mitgliedern aus Wirtschaft und Wissenschaft das Ziel, eine sektorenübergreifende Grüne Wasserstoffwirtschaft zu etablieren. Aktuell erforschen 32 Projektverbünde Innovationspotenziale von der Strombereitstellung über Herstellung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Grünem Wasserstoff in den Bereichen Chemie, Raffinerie, Mobilität und Energieversorgung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben im Rahmen des Programms „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ mit 45 Millionen Euro.
Verschiedene Projekte der HYPOS-Mitglieder spiegeln die in der NWS beschlossenen Aufbauziele und Maßnahmen. So ist ein wesentliches Ziel der Bundesregierung der Aufbau von 5 GW Elektrolyseleistung bis 2030 und weiteren 5 GW bis 2035 bzw. spätestens 2040. Im HYPOS-Netzwerk erforschen mehrere Projekte Innovationspotenziale hinsichtlich Wirtschaftlichkeit der Anlagen, Erhöhung von Wirkungsgraden oder Flexibilisierungspotenzialen im Systembetrieb von Elektrolyseanlagen. Dazu zählt auch das HYPOS-Projekt MegaLyseurPlus. Bis Ende 2021 entwickelt das Fraunhofer IMWS, Borsig ZM Compression und das Ingenieurbüro Hannweber neben weiteren Partnern eine 1,25 MW Elektrolyseanlage mit co-optimierten Einzelkomponenten, die für die wirtschaftliche Umsetzung einer Großelektrolyse-Anlage im 100 MW Bereich eine wichtige Grundlage bilden.
Die NWS definiert ein umfangreiches Maßnahmenpaket bestehend aus 38 Punkten. Die Strategie sieht vor, die bestehenden Erdgasinfrastrukturen für Transport und Speicherung von Grünem Wasserstoff nutzbar zu machen. Mit 479.000 km Länge und einem Speichervolumen von 260 TWh bietet das Erdgasnetz in Deutschland ein großes Nutzungspotenzial für Wasserstoff. Mit der Integration Erneuerbarer Energien gewinnt das Erdgasnetz eine zukünftige Perspektive für einen werterhaltenden, ressourcenschonenden und kostensensiblen Fortbetrieb. Bereits 2015 haben u.a. DBI – Gas- und Umwelttechnik GmbH, TÜV Süd und ONTRAS Gastransport GmbH das HYPOS-Projekt H2-PIMS gestartet. In den vergangenen Jahren entwickelten die Partner ein Bewertungssystem für den Transport von Wasserstoff in Rohrfernleitungen und formulierten eine Roadmap zur Erhöhung des Wasserstoffanteils im Erdgasnetz. Ein weiteres Projekt zur Erdgasinfrastruktur ist H2-MEM, an dem u.a. das Fraunhofer IKTS beteiligt ist. Entwickelt wurden hier Kohlenstoffmembranen als Trenntechnologie für Wasserstoff-Erdgas-Gemische. Damit kann Wasserstoff in Gasgemischen auf eine Konzentration von < 1 Vol.-% abgereichert bzw. auf eine Konzentration von > 99 Vol.-% angereichert werden. Dadurch gelingt es, Wasserstoff bedarfsgerecht für Endanwender bereitzustellen und sensible Anlagen vor zu hohen Konzentrationen zu schützen.
Kavernenspeicher Bad Lauchstädt: Die aus einer 500 Meter dicken Salzschicht ausgesolten Kavernen befinden sich in einer Teufe zwischen 765 und 925 Metern; Foto: VNG Gasspeicher GmbH
Neben der Transportmöglichkeit im Erdgasnetz kann Wasserstoff auch temporär gespeichert werden. Für die Großspeicherung können unterirdische Salzkavernen genutzt werden, die seit Jahrzehnten für die Speicherung von Erdgas eingesetzt werden. Allein in Ostdeutschland liegt das Speicherpotenzial in Kavernen bei bis zu 3 Mrd. m³ Wasserstoff. Das Thema wird in der HYPOS-Initiative durch zwei Projektverbünde bearbeitet. Das DBI – Gastechnologische Institut gGmbH Freiberg widmet gemeinsam mit der VNG Gasspeicher GmbH, dem Institut für Gebirgsmechanik und anderen eine Kaverne zur Speicherung von Wasserstoff um. Am Speicherstandort in Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) könnten allein in einer Kaverne 50 Mio. Nm³ Wasserstoff gespeichert werden. Dies entspricht ca. 150 Gigawattstunden. Damit könnten etwa drei Wochen Dunkelflaute überwunden werden. Eine Erstbefüllung der Kavernen mit Wasserstoff ist für das Jahr 2023/2024 geplant. Zudem entwickeln im Projekt H2-UGS die DBI-Gas- und Umwelttechnik GmbH sowie die ESK GmbH bis Mitte 2021 einen allgemeinen Leitfaden für die Errichtung und den Betrieb zukünftiger Wasserstoffkavernen. Dieser beinhaltet neben Handlungsanweisungen für die Überprüfung der technischen Eignung einer Kaverne für die Wasserstoffspeicherung auch Optionen für ein ökonomisches Geschäftsmodell und eine Anleitung zur rechtlichen Genehmigung der Speicheranlage.
Die NWS stellt einen wichtigen Meilenstein mit internationaler Ausstrahlung dar und ist ein wichtiges Aufbruchssignal für eine Grüne Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Auf Basis der Ergebnisse aus den HYPOS-Forschungsprojekten strebt die Initiative gemeinsam mit seinen Mitgliedern eine rasche operative Umsetzung an, um einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende zu leisten. Wasserstoff ist nicht die alleinige Lösung für die Energiewende, kann jedoch eine wichtige Schlüsselrolle übernehmen.